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Interview zum 75er

Frage: Sehr geehrter Herr Doktor Gaisrucker, zur Wiederkehr ihres 75. runden Geburtstages am 11.Juni hat mich ihre Institution beauftragt, dieses Interview mit Ihnen führen zu dürfen, um Sie der Öffentlichkeit näher zu bringen. Darf ich daher in der mir zur Verfügung stehenden Zeit einige Fragen an Sie richten?


HG:Vorerst eine Gegenfrage. woher wissen Sie um mein Geburtstagsdatum, ist dies nicht durch das Datenschutzgesetz gesichert? Und übrigens, es schmeichelt, mit Herr Doktor Gaisrucker angesprochen zu werden, aber es genügt dazu mein Geburtsname, am Liebsten höre ich diesbezüglich meinen Vornamen Heinz.


Frage: Da wir per Sie sind, darf ich Sie sohin mit Herr Heinz ansprechen?


HG: ja, passt schon, schießen Sie los!


Frage: Vielleicht noch gleich zu Ihrem Vornamen. Ihre vier Söhne sprechen Sie mit Heinz an. Manche Leute halten es für seltsam, dass Ihre Kinder Sie nicht mit Papa ansprechen.


HG: Na ja, ”Papa” klingt für mich sehr intim und anspruchsvoll. Wir, Gabi und ich, haben als Eltern meinen Kindern die Vornahmen als Rufnamen ausgesucht; weshalb sollten wir sie nicht auch verwenden? Ich rufe meine Kinder ja nicht mit Burschi, Burli, Mausi oder sonst wie umgehend. Und - Sie kennen ja dieses Sprichwort, hier leicht abgewandelt - ”Papa” werden ist nicht schwer, ”Papa” sein hingegen sehr. Um diesem ”Papa” wirklich gerecht zu werden, bedarf es mehr als nur die Vornamen, und …


[Heinz Gaisrucker stockt kurz]


… als ”Papa” hätte ich ein besserer Vater sein müssen.


Frage: Sie gelten als Legende im Basketballsport. Wie hat sich dies entwickelt?


[Heinz Gaisrucker verdreht dabei kurz die Augen]


HG: Was soll's? Einige Erfolge und jahrzehntelange Erfahrungen räumen dann jemanden solch eine Ehrenbezeichnung ein. Ich selber halte mich gar nicht für solch einen großartigen Sportler, dann denke ich, dass ich musisch mehr begabt gewesen wäre. Aber im Sport, speziell im Basketball, war es leichter an die Spitze zu kommen.


Frage: Der ehemalige Schuldirektor des Sportgymnasiums in Wien Ottakring [Anmerkung: Oberstufenrealgymnasium für Leistungssportler in Wien 16.,Maroltingergasse], Herr Hofrat Mag. Hans Jelenko, meinte einmal, dass Sie zu den 20 besten Basketballspielern aller Zeiten in Österreich zählen, später sagte er, sogar zu den zehn besten. Können Sie dem zustimmen?


HG:Solch eine Aussage ehrt mich, ist aber immer eine Frage, wer dies qualifiziert beziehungsweise wie dies qualifiziert wird. Ich denke zurück an Basketballgrößen, die dieses Lob leichter verdient hätten, beispielsweise an Peter Grojer, Heinz Leskowa, Erich Tecka und viele andere, die zugleich für mich Vorbilder gewesen sind. Da endet für mich die Zeit der ”Legendenehrung” mit der Aussage von Herrn Hofrat Jelenko, der ein profunder Kenner des österreichischen Basketballsports gewesen ist. Andere profunde Kenner des Basketballsports sind da eventuell anderer Meinung.


Frage: Sie sprechen manchmal von sogenannten ”Lebensmenschen”; wen zählen Sie dazu?


HG: Zu den natürlichsten Lebensmenschen zählen immer die Eltern. Im Laufe der Entwicklung kommen andere Personen hinzu. Ich habe das Glück, mehrere hinzuzählen zu dürfen. Jetzt, Ihre Frage einschränkend auf den Basketballsport, so möchte ich folgende Gönner und Förderer hervorheben.

Herr Franz Endlicher sen., der mich in seinem Basketballverein des WAT Wieden im Jahr 1965 aufnahm und meine sportlichen Erfolge beschleunigen konnte.

Herr Karl Krappel, ehemaliger Bundeskapitän und Trainer, der mir nicht nur die Grundelemente des Basketballspiels beibrachte, sondern auch mich in das Junioren- und dann 1970 in das Herrennationalteam berief.

Herr Peter Greiner, Manager der damaligen Bundesliga-Spitzenmannschaft ABC Milde Sorte/Trend, der mich in meiner sportlichen Karriere unterstützte und mich in die Trainertätigkeit ”stieß". Dazu muss ich folgende Anekdote schildern:

Als damals stärkster österreichischer Spieler meiner Mannschaft wollte ich meine vertragliche Situation für die nächste Saison verbessern und fragte um eine entsprechend höhere ”Entschädigung” an. In den siebziger Jahren waren wir alle ja quasi olympische Amateuere…

Peter bejahte unter der Voraussetzung, dass ich eine Minimannschaft des Vereins zur Betreuung zusätzlich übernehme. Auf meine Entgegnung hin, wieso gerade ich, kam seine lakonische Antwort, dass ich eben dazu geeignet wäre. Seltsam, woher er diese Überzeugung nahm, aber es bestimmte gezwungenermaßen meinen weiteren sportlichen Weg, den ich auch nie bereut habe.

Abschließend muss ich noch Herrn Helmut Maurer als Lebensmensch erwähnen, mit dem sich nicht nur im Basketballsport, sondern auch dann im anschließenden Versicherungsgeschäft eine gute und enge Zusammenarbeit ergeben hat.


Frage: Das heißt, Sie wurden dann auch als Trainer erfolgreich?


HG: Für mich gibt es fünf Karrieren im Basketball:

Erstens als Spieler, als der ich lange genug tätig war. Leider erreichte ich nur einmal die Spitze zum österreichischen Staatsmeister in 1978 mit der Niederösterreichischen Brandschadenversicherung, heute Die Niederösterreichische.

Zweitens als Trainer, hier direkt in die Mannschaft eingebunden zu sein und die Spieler zu führen.

Drittens als Schiedsrichter, da fühlt man sich noch immer wichtig, am Spielgeschehen beitragen zu können.

Viertens als Funktionär, einen Verein oder Verband organisatorisch zu leiten und am Spielgeschehen mitwirken zu können.

Fünftens als Mäzen, Gönner oder Sponsor; aber zu dem kommen wir sicher noch später…


Frage: Das hört sich sehr umfangreich an. Welche Erfolge können Sie da hervorheben?


HG: Als Spieler gab es sicherlich etliche erfolgreiche Spiele in der Meisterschaft, im Europacup und im Nationalteam. Am meisten bewegt mich noch heute der Erfolg im Nationalteam beim Turnier in Bremerhaven/BRD, wo ich nach den Siegen über die Niederlande auf die Titelseite der Deutschen Basketballzeitung 1971 abgebildet und in einem Artikel unter dem Titel ”Sternstunde eines Wieners” beschrieben wurde. Schon bei der Siegerehrung nach dem Finalspiel trieb mir das Abspielen unserer Bundeshymne die Tränen ins Auge. Ich fühle heute mit, wenn ich im Fernsehen diese größten seelischen Momente eines Sportlers auf dem Siegespodest beim Abspielen seiner Nationalhymne an ihm sehe.


[Heinz hält kurz inne und setzt dann fort]


Na ja, als Trainer lebt man mit den Spielern mit, sie zu führen, vor allem zur Selbständigkeit als Spieler hinzuführen, damit sie wissen, was sie zu tun haben. Wichtiger als zu motivieren ist, sie als Spieler nicht zu demotivieren! Da passieren viele Fehler, meine erfahrenen Fehler aus der Vergangenheit eingeschlossen.

Als Trainer kann ich mich leichter vorbereiten, mehr meine linke Hirnhälfte aktivieren; als Coach stehe ich unmittelbar im Spiel vor Momententscheidungen mithilfe meiner rechten Hirnhälfte. Es ist dies ein riesiges Feld der Sportpsychologie, das mich immer beschäftigt hat. Dazu kommt die Tätigkeit in der Trainerausbildung. Die Erfolge eines Spielers sind statistisch leichter erfassbar, die Erfolge eines Trainers oft nur schwierig nachvollziehbar. Man müsste hunderte Spieler befragen, die durch meine Schule gegangen sind…


Als Schiedsrichter hat man einen schweren Stand und braucht eine gewisse dicke Haut, um sich gegen Angriffe, Beschimpfungen und Intrigen zu schützen. Ich habe erst nach meiner aktiven Karriere als Spieler dann mit dem Pfeifen begonnen. Da ich ein vehementer Kritiker der Schiedsrichter gewesen war, ging ich mit vierzig Jahren der Aufforderung nach, es selber besser zu versuchen. Im Nachhinein glaube ich, es geschafft zu haben, wobei mir nicht nur die Technik des Schiedsrichterns, sondern auch die Psychologie dazu geholfen haben.


Als Funktionär kann man sich nützlich machen, in der Organisation helfen, administrativ, als Zeugwart oder auch als Tischorgan etc. Mit Gründung zweier eigener Vereine weiß ich da bestens Bescheid. Der gemeinnützige Sportverein Austrian BasketFighters besteht seit 2007. Die dazugehörenden Spieler trainieren und spielen im gemeinnützigen Sportverein der Freunde der Ersten Wiener Basketballhalle, den ich ebenfalls als Obmann führe.


Als Mäzen kann ich hier den bereits genannten Verein der Ersten Wiener Basketballhalle nennen, der im Jahr 2002 gegründet worden ist.


Frage: Da sind wir ja bei einer interessanten Einrichtung im Basketballsport. Wie ist es möglich, eine eigene private Basketballhalle zu errichten?


HG: Da spielen verschiedene Umstände mit, die dann dieses Projekt haben verwirklichen lassen.

Zu allererst kam diese Idee im Jahr 1999 auf, als unser Nationalteam das 20jährige Jubiläum der Teilnahme an der Europameisterschaft in der obersten Spielklasse der Gruppe A feierte und mich ein damaliger Manager des Teams, Günther Schaffer, zum Bau einer eigenen Basketballhalle inspirierte. Ich begann, diese Wege zu erkunden und verschiedene Standorte zu erwägen.

In meiner Zusammenarbeit mit dem Sportverein WAT Ottakring kam das Angebot, auf dem Sportgelände der Stadt Wien in der Erdbrustgasse eine gemeinsame Sporthalle für Tennis und Basketball zu errichten. Aus der Tennishalle wurde nichts, aber aus der Basketballhalle wuchs dieses Projekt.

Jetzt waren weitere Unterstützungen gefordert, wie das Sportamt der Stadt Wien, das Magistratische Bezirksamt, die Baubehörde, das nahe gelegene ORG in der Maroltingergasse und - selbstverständlich - finanzielle Sponsoren, hier voran Frau Gabriela Trmal, die auch die Firma Trmal-Verbindungselemente im 16.Bezirk führt.

Gemeinsam mit dem Architekten, Dipl.Ing. Walter Kral, ein ehemaliger Basketballspieler und erfahrener Erbauer vieler Kinos in Österreich, wurden wir bei den Behörden vorstellig, bis dann der damalige Leiter der MA 51, Herr Dr. Podkowicz, ein strenger Mann, aber mit Handschlagqualität lakonisch zusagte: „Wenn's das darblast, dann stellst das hin.“ Und am 28.Juni 2004 wurde die neue Basketballhalle eröffnet…


Frage: Wie können Sie den Erhalt der Halle finanzieren, und welche öffentliche Förderungen haben Sie erhalten?


HG: Wir haben die Halle aus rein privaten Mitteln finanziert, es gab keine finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand. Die Investitionen sind lediglich abzuschreiben und werden nie mehr eingebracht können. Auch der Erhalt der Halle muss privat finanziert werden, und wir bemühen uns, die Betriebskosten über Vermietungen der Einrichtungen abdecken zu können.


Frage: Wieviel hat die Halle gekostet?


HG: Diese niveaulose Frage will und kann ich gar nicht genau beantworten. Ist das Geld das einzig Interessante an diesem Projekt, wo wir doch ursprünglich für unsere Kinder die Gelegenheit bieten wollten, Basketball spielen zu können? Ein metaphorisches Ziel ist es, ”Kinder weg von der Straße zu bringen”, sie für den Sport zu begeistern, und getreu unserem Motto »Basketball ist Lernsport fürs Leben«.


Frage: Die Erhaltungskosten, alleine Strom und Gas, sind ja überaus gestiegen! Gelingt dieser Aufwand überhaupt?


HG: Die meisten Einnahmen kommen von den Mitgliedsbeiträgen der Spieler beim Sportverein Austrian BasketFighters, die in der Erdbrustgasse ihre Heimhalle haben. Die Mitgliedsbeiträge können dann auch für die Hallenanmietung verwendet werden und einen Teil der Hallenkosten abdecken; weitere Einnahmen kommen von anderen Vermietungen, z.B. auch von Werbeflächen.


Frage: Welche Unterstützung haben Sie vom Österreichischen Basketballverband, dem ÖBV, erhalten?


HG:Überhaupt keine! Eine einzige Ausnahme war nach Eröffnung der Basketballhalle, dass der damalige Vorstand unter dem Präsidenten Walther Kaszelik und seinem Vizepräsidenten Dr. Gerd Höllerl unser Verein der BasketFighters die Zusage erhielt, das Finale der Jugend-Staatsmeisterschaft mU16 in der Basketballhalle Erdbrustgasse austragen zu dürfen. Dies war neben der Ehrenbezeugung unseres gelungenen Projektes durch den ÖBV auch ein sportlicher Vorteil, den unsere Jugendmannschaft nutzen konnte und so auch den Staatsmeistertitel 2005 feierte.


Zur damaligen Zeit gab es noch ehrenvolle Mitglieder in einem Basketballverband, und ich erinnere an den weit früheren ÖBV-Präsidenten Herrn Diplomkaufmann August Pitzl, der immer sein Herz für den Spieler bewies und bei Entscheidungen zu dessen Gunsten argumentierte.


Heute wird der Basketballverband von einem Präsidenten geleitet, dem es bloß auf sein eigenes Renommee ankommt, er sich zwar marketingorientiert bemüht, aber sportlich quasi mörderisch agiert. Sich mit diesem Mann zu beschäftigen, bedeutet Beklemmung, Ärger bis Nötigung. Es wäre besser, wenn er sich auf seine stolze Segeljacht setzt und die Welt umsegelt…


Frage: Das hört sich ja entsetzlich an, wie soll da der Basketballsport in Zukunft aussehen?


HG: Schon mein früherer Manager beim Verein ABC und Freund Peter Greiner hatte zu mir gesagt: „Willst du etwas im Sport bewegen, dann kannst du dies nur über deinen eigenen Verein; in einer Verbandstätigkeit wird dir dies nie gelingen, da gibt es zu viele Querschläger.“ Jetzt weiß ich, wie recht er schon damals hatte. Ich persönlich musste dies erfahren, als ich mich als Referent im Basketballverband mit Funktionären anlegen musste, die ihre gestörte Persönlichkeit vor die vorgegebene zu erfüllende Tätigkeit stellten. Jedesmal erinnert mich dies an das unvergessene Wienerlied von Heinz Conrads: “A Schneeflockerl und a Ruaßflankerl”; der melodramatische Refrain ist leicht zu finden auf YouTube.

Und ganz zum Abschluss: Diese Gedanken stimmen mich traurig. Unterm Strich ist es heute im Basketball wie vor 60 Jahren, als ich damals angefangen hatte. Wir sind eine Randsportart mit Professionalität bloß als fernes Wunschwort. Jetzt zu meinem 75er bleibt nur die Hoffnung, dass es unsere Kinder besser machen wollen.


Interviewer: Danke, Herr Heinz Gaisrucker

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